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Das Smartphone als Crypto Taschenmesser

Veröffentlicht auf freitag.de

Überwachung Auch auf dem Smartphone gibt es Möglichkeiten seine Kommunikation zu verschlüsseln. Mit wenigen Handgriffen erobert Mensch wieder etwas mehr Privatsphäre zurück

Das Smartphone ist für die meisten von uns mittlerweile ein digitales Schweizer Taschenmesser geworden. Schaut Mensch sich in den Bussen und Bahnen um, scheint jede freie Minute für Spielen, Nachrichten lesen oder Kommunizieren mit Freund_innen genutzt zu werden. Seit den Veröffentlichungen von Edward Snowden beschleicht immer mehr Menschen jedoch das unsichere Gefühl, dass einem dabei jemand über die Schultern schaut. Doch dabei gibt es unzählige Möglichkeiten wieder “privat” auf dem Smartphone unterwegs zu sein.

Für die meisten von uns ist zugegebener Maßen das Smartphone ein Spielzeug. Das Netz ist mobil geworden und wir gönnen uns gerne den Luxus anstatt des Notebooks das Telefon aus der Tasche zu ziehen und schnell die aktuelle Weltlage zu überprüfen. Aktivist_innen in anderen Ländern nutzen immer häufiger auch Smartphones um sich bei Protesten über Twitter und Facebook auf dem laufendem zu halten. Auch hier zu Lande gibt es kaum eine größere Demonstration die sich nicht beinahe Live auf Twitter mitverfolgen lässt.

Das haben Behörden und Geheimdienste natürlich längst erkannt. Seit den Massen-Funkzellenabfragen der letzten Jahren wie in Dresden und Berlin ist klar, auch deutsche Behörden greifen auf die Verbindungsdaten zurück. Dagegen hilft reichlich wenig, ausser die Geräte zu Hause lassen oder abschalten. Verbindungsdaten sind zum Beispiel alle Daten die beim Verbindungsaufbau mit dem Telefonprovider anfallen. Dabei werden auch Standortdaten und die Art der Kommunikation gespeichert. Dies lässt sich technisch einfach nicht anders realisieren, denn wer mit der Welt kommunizieren will, benötigt nun mal eine Verbindung.

Die Inhalte der Daten dagegen lassen sich mit einer Reihe von Maßnahmen längst verschlüsseln. Dabei fangen Profis bereits beim Gerät selber an. Moderne Android Telefone und Tablets lassen sich komplett verschlüsseln und das von Haus aus. Einziger Nachteil dabei ist lediglich der Komfort, ein ausreichend sicheres Passwort muss bei jedem Benutzen des Gerätes dann eingegeben werden. Doch dafür ist dann der Kern, das Betriebssystem und alle auf dem Gerät gespeicherten Daten von aussen nur noch schwer zu knacken. Dies ist mittels Schadsoftware jedoch weiterhin möglich, Stichwort “Bundestrojaner und Quellen-TKÜ”. Deshalb gilt ab hier: Nur Apps installieren, die aus sicheren Quellen kommen.

Das Guardian Project zum Beispiel hat es sich zur Aufgabe gemacht, allerhand kostenfreie Helferchen zu entwickeln, die moderne Datenreisende für einen anonymen Alltag brauchen. Das Foto was bei Protesten mit der Gerätekamera geschossen wurde, lässt sich z.B. mit der App “ObscuraCam” anonymisieren. Blitzschnell können Gesichter unkenntlichgemacht werden, Bilddaten werden entfernt und so lässt sich ein Bild anonym in die Welt versenden. Vorallem bei Protesten, wenn Mensch keine unbeteiligten Dokumentieren möchte, lässt sich vor Ort blitzschnell ein Foto unkenntlich machen. Doch das ist nicht alles. “Orbot” bringt z.B. das Tor Netzwerk auf das Smartphone, um die IP-Adresse zu verschleiern und evtl. Netzsperren zu umgehen. Der Instant Messenger “GibberBot” lässt es zu, mittels einer End to End Verschlüsselung (also von Benutzer_in zu Benutzer_in) mit anderen zu kommunizieren. “Ostel” lässt einen verschlüsselt Telefonieren und auch das verschlüsseln von SMS Nachrichten ist längst kein Problem mehr. Wichtig zu beachten dabei ist nur, dass das jeweilige Gegenüber die gleichen Anwendungen auf dem Smartphone besitzt.

Eine Reihe von weiteren CryptoApps drängen in die AppStores der großen Anbieter. Dabei sollte beachtet werden, dass gerade iPhones und iPads hier bislang nicht mitspielen. Das liegt zum einen an Apples ristriktiverem AppStore, der es von Haus aus nicht möglich macht, sich einfach Apps aus dem Internet aufs Gerät zu bringen, aber auch an der generellen Firmenpolitik Apples. Kritiker von Google mögen hier nun einwenden, dass Google auch im Datenskandal mit der NSA zusammengearbeitet hat, aber die generell offenere Plattform auf der Android aufsetzt, ermöglicht es Entwickler_innen hier den Quellcode genauer unter die Lupe zu nehmen. Und das machen Programmierer_innen Weltweit zur Zeit sehr genau.

Eines zeigt die Datensammelwut der Amerikaner und aller weiterer Dienste allerdings auch. Wir müssen uns umstellen und für unsere digitale Selbstbestimmung kämpfen. Ein blauäugiges Vertrauen dass das Private auch privat bleibt, ist in der vernetzten Welt unrealistischer als je zuvor. Crypto Aktivist_innen sagen seit Jahren, dass jede nicht verschlüsselte Nachricht die von A nach B gesendet wird, wie eine Postkarte um den Globus geht. Allerorts sagen Menschen nun “das haben wir alles schon immer gewusst”. Das ist jedoch Quatsch. Auch IT-Profis sind vom Umfang der Möglichkeiten überrascht und verunsichert. Als Julian Assange’s Buch “Cypherpunks” erschien, in dem er mit weiteren Cypherpunk Aktivist_innen wie Jacob Applebaum, Jérémie Zimmermann und Andy Müller-Maguhn vom CCC über die modernen Möglichkeiten der Überwachung diskutierte, schrieben einige Journalist_innen, sie seien paranoid und leiden an massiven Verfolgungswahn. Die Überbringer der Botschaft waren schon immer die Blöden in der Geschichte. Noch blöder sind jedoch die, die die Botschaft nicht verstehen und alles relativieren.
„Falls Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen.“ George Orwell

Posted in Fotografie, Technik & Netzkultur.